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Erfahrungsbericht von Yvonne

Die Schwangerschaft mit meiner ersten Tochter war nicht geplant, jedoch stimmig. Sie fühlte sich aber überhaupt nicht so an. Ich wusste nicht, was mit mir los war, sprach offen darüber, dass ich mich schlecht fühlte, sehr müde und erschöpft war, irgendwie nichts fühlte. So schlimm, wie es sich anfühlte, war es für mich nicht schwanger zu sein. Es schien mich niemand so richtig zu verstehen. Das alles war mir ein Rätsel. Zwei Monate vor dem Geburtstermin starb unverhofft mein Vater. Es war schlimm für mich ihn zu verlieren, die Trauer drang durch den Gefühlsnebel. Es schmerzte sehr, doch auch wenn es Trauer war, fühlte ich doch endlich wieder etwas. Ich wurde noch müder und erschöpfter und wurde von meiner Hebamme krankgeschrieben. Nun sollte ich mich also für die Geburt erholen. Diese war lang und anstrengend, aber als das Kind da war, fühlte ich mich endlich wieder wie zuvor, endlich wieder wie ich selbst. Was für ein Glück! Zusammen mit den Liebeshormonen war ich richtig beflügelt.

"Konnte ich tatsächlich mit meiner neugeborenen Tochter kommunizieren?"

Das Stillen klappte überhaupt nicht. Unsere Tochter trank nicht schön und verlor zu viel an Gewicht. Ich wollte unbedingt stillen und gab mir alle Mühe. Stillte nachts alle 2 Stunden, wobei ca. 1,5 Stunden vorbeiwaren bis wir fertig waren. 30 Minuten hinlegen, dann wieder von vorne. So hatte ich die Hebamme verstanden, müsste ich das machen. Ich funktionierte, war nicht gross müde, obwohl ich schon einige Nächte lang nicht geschlafen hatte. Aber irgendwann wusste ich nicht mehr, was ich träumte und was “echt” war. Konnte ich tatsächlich mit meiner neugeborenen Tochter kommunizieren? Und mit meinem Vater? Alles schien so schön zu passen: Geschenke, Träume, Gedanken, Anrufe, Nachrichten. Als ob das Universum einzig für mich nun alles schön machen würde. Wenn da nur nicht diese heftigen Ängste und Träume gewesen wären, diese dunklen und schweren Dinge, welche mich verfolgten.

Am 5. Tag nach der Geburt, ein Sonntag, wurde ich aufgrund riesiger Verwirrtheit und Wahnvorstellungen (unter anderem fühlte ich mich wieder wie unter der Geburt und schrie aufgrund der effektiv gefühlten Schmerzen wie am Spiess) mit der Ambulanz in die psychiatrische Klinik gefahren. Dort verbrachte ich 4 lange Wochen allein auf der Akutstation, 2 davon im Isolationszimmer wegen Fremdgefährdung. Ich hatte, nachdem sich mein Zustand etwas beruhigt hatte, das Zimmer demoliert als ich erfuhr, dass ich nicht zu meiner Tochter nach Hause gehen konnte. Ich wurde zwangsmediziert und verbrachte viele Tage im Delirium von Medikamenten und Psychose. Diese Zeit alleine und ohne mein Kind im Isolationszimmer war die absolut schlimmste Zeit meines Lebens. Es zerriss mir das Herz, dass ich nicht bei meinem Kind sein konnte, wo ich doch die Liebe so stark gespürt hatte. Danach konnte ich diese Liebe jahrelang nicht mehr fühlen, ein emotionaler Schutzmechanismus und so traurig. Nach ca. 2 Wochen beruhigte sich die Situation aufgrund des Neuroleptikas, auf welches ich gut ansprach. Als ich dann endlich wieder meine Tochter und meinen Mann sehen konnte, war das unglaublich schön!

Nach 4 Wochen allein in der Klinik konnte ich mit meiner Tochter zusammen auf die Mutter-Kind Abteilung nach Affoltern am Albis wechseln. Dies war für mich der Auftakt zum langen Weg der Heilung. Medikamente wurden richtig eingestellt, das Zusammensein mit meiner Tochter tat mir gut, aber auch die Zeit für mich allein zur Erholung. In der ersten Zeit in Affoltern war immer jemand aus meinem Umfeld bei mir. Ich war körperlich sehr schwach. Dank dieser Unterstützung konnte ich langsam meinen Teil der Verantwortung für unsere Tochter wieder übernehmen. 8 Wochen verbrachten wir dort mit Einzeltherapie, Gruppentherapie, Physiotherapie und Bindungsaufbau. Ich bin so froh gibt es diese Station und hatten wir die Möglichkeit, dorthin zu gehen.

Nach der Psychose folgte eine Depression

Zu Hause war die Geschichte aber noch nicht fertig. Es folgte eine Depression, welche nach Psychosen üblich ist. Sie erstreckte sich über ca. 3 Jahre, vielleicht auch deshalb, weil ich nur bis ca. 8 Monate nach der Geburt Medikamente nahm und danach den Eindruck hatte, es ginge mir gut und sie absetzte. Natürlich ging es mir gut im Vergleich zu dem, was ich erlebt hatte, ich funktionierte wieder. Aber rückblickend zog sich die Depression weiter dahin. Ich war erschöpft und völlig leer. Ich ging regelmässig ambulant in eine Psychotherapie, zur Akupunktur und weiteren alternativen Heilanwendungen. Ich nahm intensiv Nahrungsergänzungsmittel und machte eine Ausbildung zur Schwangerschaftsyogalehrerin. Wirklich gesund fühlte ich mich im Sommer 2019, drei Jahre nach der Geburt meiner Tochter. Und da entschieden wir uns, dieses Abenteuer trotz allem nochmals zu wagen.

Gute Entscheidungen für die zweite Schwangerschaft und das Wochenbett

Ich wurde schnell wieder schwanger und merkte diesmal frühzeitig, dass mit der Schwangerschaft auch die Depression zurück kam. Mein Umfeld, anfangs auch meine Ärztin und meine Psychiaterin, meinten, das stehe sicherlich im Zusammenhang mit der schwierigen Zeit, die ich beim ersten Kind erlebte. Zum Glück hatte ich eine Person in meinem Helfernetz, die mich so gut spürte und sich so gut mit Schwangerschaftsdepression auskannte, dass sie mich quasi zum Handeln zwang. Sie ist heute als, Fachperson auf dieser Webseite erfasst und hilft hoffentlich noch vielen weiteren Frauen. Ich liess mir von meiner Ärztin ein Antidepressiva verschreiben, welches ich bereits ab der ca. 8. Schwangerschaftswoche nahm. Dies war der erste gute Entscheid von einigen weiteren, welche ich in dieser zweiten Schwangerschaft fällte, damit ich längerfristig gesund blieb. Ungefähr 6 Wochen später fühlte ich mich körperlich zwar immer noch sehr erschöpft, aber psychisch stabil. Ich reduzierte diesmal sehr früh mein Arbeitspensum, um die Schwangerschaft zu meistern – was mich später meine Arbeitsstelle kostete, aber dies ist eine andere Geschichte – und doch war dies der nächste wichtige und richtige Entscheid.

Dann entschied ich mich für die Geburt im Geburtshaus mit anschliessender Option den Wochenbettaufenthalt bei Bedarf verlängern zu können, wenn es die gesundheitliche Situation verlangte. Über die ganze Zeit war ich von meiner Psychiaterin gut begleitet. Ich machte eine Patientenverfügung für den Fall der Fälle, dass ich mein Urteilsvermögen wiederum verlieren würde und besprach mit meiner Psychiaterin einen Notfallplan. Nach der Geburt war ich erneut sehr erschöpft. Meine Wahrnehmung öffnete sich wiederum ziemlich weit über das hinaus, was wir sonst so im Alltag wahrnehmen. Ich hörte die Vögel sehr laut zwitschern, nahm Farben intensiver wahr und ja, hatte auch einige “komische” Gedanken und Eingebungen. Diesmal aber wusste ich, ich musste schlafen, sonst kam das alles nicht gut. Auch unsere zweite Tochter hatte Mühe mit dem Trinken, auch sie verlor zu viel an Gewicht. Stillen ist vielleicht, das Beste für ein Baby, aber nur dann wenn es auch der Mama dabei gut geht. So nahm ich das mit meiner Psychiaterin besprochene Notfallmedikament zum Schlafen und unsere Tochter wurde in der Nacht geschöppelt. Ich blieb eine ganze Woche im Geburtshaus.

Zu Hause hatten wir uns sehr gut organisiert. Nach alter Tradition, wollte ich mich im Wochenbett 6 Wochen lang erholen. Es ist ungewöhnlich, sich heutzutage diese Zeit zu nehmen. Dies merkte ich an den Reaktionen meines Umfeldes. Ich aber wusste, dass ich diese Zeit brauchen würde und mir sie mir dieses Mal nehmen wollte, um gesund zu bleiben. Ich stand zu mir und meinen Bedürfnissen, entgegen aller Einwände und komischen Blicken um mich herum. Mein Mann hatte 4 Wochen Urlaub, es wurde für uns gekocht, unsere Freunde waren auf Abruf und unterstützten uns, wo sie konnten mit Kinderbetreuung, Wäsche, Haushalt oder was es sonst noch so brauchte. Und so blieb ich tatsächlich “gesund” bzw. konnten wir dem ungesunden Anteil durch viel Unterstützung Raum geben und ich brauchte weder Medikamente noch einen Aufenthalt in einer Klinik. Ich verbrachte ein unglaublich heilsames und wohltuendes Wochenbett zu Hause mit meiner Familie – was für ein Geschenk! 

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Bild: Yvonne ist heute gesunde und stolze Mutter von 2 Töchtern und engagiert sich seit März 2021 im Vorstand des Vereins.